Texts
Interview
--Interview with # Horst und Edeltraut, February 2024
What do you find most fascinating about the creative process?
The continuous learning.
As for the materials, the exploration of spaces, interactions with people, and also content-wise. As mentioned earlier, I often engage with natural phenomena and explore how scientific observations and insights can be reinterpreted as artistic processes and made visible. This takes me into realms of physics, astronomy, and philosophy, which are often uncharted territory for me. In doing so, I naturally learn incredibly new things — about elements that shape our daily lives but are barely conscious to us. (…) I find it incredibly intriguing to question the systems we have imposed upon ourselves and how we rely on nature’s constants that, in reality, are not constant at all. Translating this into artistic works and reinterpreting it in a minimalist and abstract way in my light installations and sculptures truly fascinates me.If the universe is everything and it’s expanding, what is it expanding into?
I really like this question because it ties into my interest in natural science and intangible dimensions. The intriguing part is the question about the infinite and our limited understanding of what we label as infinite. What does the infinite mean? Are there other universes (which actually is a current question in cosmology)? What comes after the infinite? The unexpected?Tell us about your future plans…
Right now I am working on three upcoming shows, a project in Paris as well as a publication …# Horst und Edeltraut is a multi-awarded print and online magazine about art and culture
ABSTRACT ENTITIES
--ABSTRACT ENTITIES
In Daniel Kehlmanns Roman Die Vermessung der Welt behauptet der Naturforscher Alexander von Humboldt, dass es überall Linien gebe: „Sie seien eine Abstraktion. Wo Raum an sich sei, seien Linien.“* Demzufolge lässt sich der uns umgebende physische Raum nicht nur abstecken, vermessen und aufteilen**, sondern in Form von Punkten und Geraden in ein dreidimensionales mathematisches Gebilde übertragen. Diese bis ins ausgehende 18. Jahrhundert weit verbreitete These beruht auf den Errungenschaften des antiken Gelehrten Euklid. Als Verfasser der Elemente legte er mit dieser dreizehnbändigen Abhandlung die Grundlagen der Geometrie fest – und prägte damit das westliche Denken ebenso maßgeblich, wie unser Verständnis von der Natur und ihrer Abbildbarkeit. Basierend auf dem euklidischen Raum wurde in der Malerei der Renaissance mit der Zentralperspektive eine Methode konstruiert, um auf einer zweidimensionalen Fläche die Illusion eines Tiefenraumes zu erzeugen. Dabei konnten mithilfe eines Rasters Verkürzungen und Perspektiven detailgetreu aus der Realität auf die Leinwand übertragen werden. Im Barock täuschten schließlich raffiniert gemalte Fresken ein Kuppelgewölbe oder die Existenz baulicher Elemente wie Säulen, Balustraden und Fassadengliederungen im Raum vor.
Verbindungen zu Euklids klar definierten Gesetzen der Mathematik und der Geometrie finden sich auch in den neuen Arbeiten von Miriam Hamann. Ihre künstlerische Praxis ist gekennzeichnet von einer konsequenten Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Prinzipien und den damit verbundenen Ordnungssystemen. Deren Gültigkeit wird in ihren reduzierten, exakt ausgeführten Skulpturen und raumgreifenden Installationen jedoch regelmäßig zur Disposition gestellt. Hamann zweifelt die konventionelle Einordnung der Realität an und bewegt sich in ihrer Kunst außerhalb allgemeiner Vereinbarungen. Auf diese Weise gelingt es ihr immer wieder, unsere Wahrnehmung herauszufordern und uns durch ihre ästhetischen Verweise in Staunen zu versetzen. In der Galerie MAERZ macht die Künstlerin nun die euklidische Geometrie erfahr- und erlebbar, indem sie den Prozess der Abstraktion des Raumes umkehrt: Sie übersetzt die Linien und Kreise auf Papier in dreidimensionale Objekte – die Zeichnung wird Skulptur. Die mehrteiligen Lineaturen aus Neonlicht schweben im Raum, besetzen ihn und erschließen sein Volumen. And the point is called the center of the circle sind sinnlich wahrnehmbare Entitäten und Idee zugleich. In ihnen fallen Materie und Nichtmaterie zusammen, werden eins, lösen sich auf. Als Sinnbilder anderer Wissensformen schaffen sie neue Wirklichkeiten und brechen so tradierte Denkmuster von Raum und Ordnung auf.
(…)
* Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, Reineck bei Hamburg 2005, S. 115
** Auf diesem Weltbild fußt auch der europäische Kolonialismus. Als eines von zahlreichen Beispielen soll hier auf die 1884 in Berlin stattfindende „Kongokonferenz“ verwiesen werden, im Zuge derer der afrikanische Kontinent unter Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten, Portugal, Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, Italien, den Niederlanden, Russland, Schweden und der Türkei aufgeteilt wurde. Die Vertreter dieser Länder verhandelten über noch unbekannte Gebiete, sie betrieben Geografie und zeichneten Linien in Landschaften aus Papier, wo zuvor keine waren. Siehe: Eric Vuillard, Kongo, Berlin 2015Text zur Duo-Ausstellung ABSTRACT ENTITIES von Petra Gell und Miriam Hamann in der Galerie MAERZ
Text: Katja Stecher
The constant state of change
--The constant state of change
Bereits vor Tausenden von Jahren beobachteten Zivilisationen wie die Babylonier, die Ägypter und die Maya den Himmel und entwickelten einfache Formen der Astronomie, um die Bewegungen der Sterne, Planeten und anderer Himmelskörper zu verfolgen. Diese Beobachtungen dienten oft Religions‑, Agrar- oder Navigationszwecken. Auch die Vermessung unserer Welt reicht bis in die Antike zurück, in der schon rudimentäre Vermessungsmethoden entwickelt wurden, um Landesgrenzen zu bestimmen und Landwirtschaft zu betreiben. Miriam Hamann widmet sich seit Jahren genau diesen Themen, erforscht topografische, geografische und astronomische Phänomene, die das Leben und die Lebewesen auf der Erde beeinflussen. Neben dem Wetter oder den direkten Auswirkungen der Plattentektonik, die uns unmittelbar betreffen, gibt es Gegebenheiten, die wir im Alltag meist nicht bewusst wahrnehmen oder beobachten. Die Künstlerin hat zwei dieser Phänomene für die Ausstellung The constant state of change im zqm sichtbar gemacht.
Im Eingangsbereich des Galerieraums schaut man zur Rechten in einen kleinen Aufstieg. Er fungiert diesmal als Blickfenster in das Universum. Die Neonarbeit Motions of Mars (2023, Teil einer größeren Serie) visualisiert eine Planetenschleife, die in Realität eigentlich gar nicht existiert, jedoch mit bloßem menschlichen Auge als solche wahrgenommen wird. Wenn wir den Mars von der Erde aus beobachten, scheint er – gemessen an den Fixsternen – für einige Wochen rückwärts über den Himmel zu wandern, bevor er seine normale, direkte Bewegung wieder aufnimmt. Diese retrograde Bewegung tritt ungefähr alle 26 Monate auf, wenn die Erde, die sich näher an der Sonne befindet und sich somit in ihrer Umlaufbahn schneller bewegt, den Mars überholt. Aufgrund dieser Geschwindigkeitsdifferenz kommt es zu dem illusionistischen Phänomen. Motions of Mars zeichnet die sichtbare, aber irreale Bahn des Planeten in gleißendem Licht nach. In Anbetracht dessen, dass der Mars einen gigantischen Weg im All hinlegt, kommt die feine, in ihrer Dimension 80cm langen, Neon-Schleife schier verniedlichend daher. Sie zeigt sehr bildhaft, wie klein doch unsere menschliche Perspektive ist, wie wenig wir letzten Endes erfassen können und hinterfragt die Sphären unserer Realität.
In der Skulptur Under the pole there lies a bare rock in the midst of the sea (2023), die im Hauptraum des zqm in der Schwerelosigkeit zu schweben scheint, beschäftigt sich Miriam Hamann mit dem magnetischen Nordpol. Der Kartograph und Geograph Gerhard Mercator nahm im 16. Jahrhundert an, der magnetische Pol sei ein Fels mitten im Meer, von welchem das magnetische Feld ausginge. Heute weiß man, dass dieser vom flüssigen äußeren Erdkern angetrieben wird. Der magnetische Nordpol befindet sich da, wo die Kompassnadel hinzeigt, und hat keinen Fixpunkt – er wandert stetig über die Nordhalbkugel und bewegt sich seit ein paar Jahren in ungewöhnlich schnellem Tempo durch die östliche Hemisphäre in Richtung Sibirien. Das Erdmagnetfeld wird seit Jahrzehnten von Wissenschaftlern durch das Weltmagnetmodell (“World Magnetic Model”, kurz WMM) erfasst. Es zeigt die aktuelle Abweichung zwischen magnetischer und geografischer Richtung sowie die Stärke des Magnetfelds für alle Regionen der Welt. Darauf basierend werden magnetische Geräte immer wieder neu geeicht. Der einfachste Kompass, moderne Navigationssysteme, die Schiffe auf See steuern, bis hin zu Google Maps sowie GPS-Systemen liegen diesen Messungen zugrunde und sind auf die Genauigkeit dessen angewiesen. Das Magnetfeld ist damit jedoch nicht nur maßgeblich für die Orientierung von uns Menschen verantwortlich, mittlerweile wird einigen Tierarten ein regelrechter Magnetsinn zugesprochen. Da der magnetische Nordpol im Moment rasant über die Nordhalbkugel rast – genauer gesagt mittlerweile in einem Tempo von 55 Kilometern pro Jahr – müssen die Messungen des WMM in kürzeren Abständen gemacht werden, damit die Geräte noch sinnvolle Informationen abgeben können.
Miriam Hamann hat die Bewegung des magnetischen Nordpols in eine schwarze Ellipse übersetzt, die sich im zqm wie eine Zeichnung durch den weiß gestrichenen und hell beleuchteten Raum schwingt. Die Länge der Ellipse beträgt 6,28m und bildet damit die Geschwindigkeit der Bewegung des Pols pro Stunde nach. Bei längerer Betrachtung wird die Orientierung im Raum plötzlich schwer, als verliere man den Boden unter den Füßen. Unsere Wahrnehmung der Realität wird stark vom Sehsinn beeinflusst. Was ist, wenn das, was wir sehen, nicht der Wirklichkeit entspricht? Was ist, wenn die Wirklichkeit morgen eine andere ist?Text zur Einzelausstellung The constant state of change, zqm Berlin, 2023
Text: Miriam Jesske
On Moving Spheres
--Symbolisch-künstlerische Apparate der Weltwahrnehmung
„Gibt es ein reines Jetzt? Ein reines Jetzt wäre dann so etwas wie das Original eines Erinnerungsbildes, ohne Bild zu sein. Wie wissen wir dann, was es ist?“ [Lars Gustafsson, Eine Art die Zeit zu betrachten, 1985]
2020 äußert sich Miriam Hamann in einem Interview zu den Hauptintentionen und ‑gegenständen ihrer künstlerischen Arbeit: „Im Spannungsfeld von skulpturalen und installativen Arbeiten beschäftige ich mich mit der Frage, wie unsere Realität strukturiert ist. Was formt unsere Umgebung und Realität? Welche Ordnungssysteme haben wir uns auferlegt? Was bringt uns einem Verständnis unserer Welt näher?“ Um auf diese Fragen künstlerische Antworten zu formulieren, befasst sich Hamann mit grundlegenden physikalisch-naturwissenschaftlichen, unser Weltverständnis prägenden Phänomenen: Zeit, Raum, Astronomie, Messung, Mathematik, Experiment, Beobachtung etc. Die Maßstäbe und Dimensionen ihrer Themen sind dabei unbegrenzt und reichen vom astronomischen Makrokosmos bis zum Mikrokosmos unserer erfahrbaren, alltäglichen Lebenswirklichkeit.
Trotz ihrer Affinität zur Wissenschaft und deren grundlegenden Denkfiguren haben Hamanns Arbeiten nichts mit dem zu tun, was seit einiger Zeit unter dem methodisch häufig unpräzis reflektierten Begriff des künstlerischen Forschens firmiert. Es geht ihr nicht um die Produktion nachvollziehbarer, überprüfbarer Ergebnisse, sondern sie verfolgt stattdessen eine geradezu „klassische“ Strategie künstlerischer Arbeit. Transformiert durch die Mittel der Ästhetisierung und der Interpretation werden ihre Werke zu Stellvertretern, die symbolhaft auf die hinter ihnen liegenden Phänomene und Sphären verweisen. Der Moment der ästhetisch-künstlerischen Aufbereitung erlaubt und legitimiert die freie Wahl des Gegenstands (und seines Maßstabs). Der Verweischarakter ihrer abstrakt-sachlichen Apparate und Werke ist dabei (bewusst?) ambivalent. „Einerseits repräsentieren sie naturwissenschaftliche Phänomene wie Zeit, Licht oder Raum und die mit ihnen verbundenen Gesetzmäßigkeiten, Ordnungen und letztlich auch Rätsel. Andererseits verweisen sie auf die wissenschaftlichen Methoden und Instrumente zu deren Erfahrbarmachung (der Begriff Sichtbarmachung griffe längst zu kurz). Durch ihre reduzierte formale Abstraktion eröffnen die Arbeiten vielfältige Vergleichs- und Assoziationsspektren in beide Richtungen.
Die technische Sorgfalt der Ausführung spiegelt den Gestus und die Präzision realer Naturwissenschaft. Auf einer unmittelbar wahrnehmbaren Ebene „spielen“ Hamanns Arbeiten mit deren Funktionalität. Durch ihre Ausführung und ihre faktische Funktionslosigkeit überführen sie dieses Assoziationspotential allerdings in eine wohl kalkulierte und konzentriert ästhetische Wirkung. Präzision wird zur ästhetischen Größe und zum Ausdruck konzeptionell-künstlerischer Ernsthaftigkeit.
Betrachtet man die Geschichte der Darstellung der (naturwissenschaftlichen) Apparate, so lässt sich feststellen, dass beginnend mit dem 17. und vor allem im 18. Jh. die Genauigkeit ihrer Illustration zunimmt. Künstlerischer Darstellungsmodus und wissenschaftliche Arbeitsweise (Experiment, Messung etc.) gehen Hand in Hand. Der größer werdenden Exaktheit von Forschung und Experiment entspricht eine stetige Verfeinerung ihrer Abbilder. Bis zur Etablierung von geschulten Spezialisten (Zeichner, Kupferstecher etc.) und der professionellen Etablierung illustrierter Wissenschaftsliteratur waren es in der frühen Neuzeit in erster Linie Künstler, die die Illustration wissenschaftlicher Experimente (Instrumente) und Phänomene übernahmen. Letztlich knüpfen viele Arbeiten von Miriam Hamann – unter deutlich veränderten Vorzeichen – an diese Tradition an.
Seit der Neuzeit und verstärkt während der Moderne widmen sich wachsende Bereiche der Naturwissenschaft (Quantenphysik, Astronomie etc.) Erkenntnisfeldern, die sich aufgrund ihrer minimalen oder maximal denkbaren Ausdehnung und ihrer theoretischen Komplexität unserem allgemeinen und sinnlich nachvollziehbaren Verständnis entziehen. Dies gilt sowohl auf der hermeneutisch-methodischen, der prozessualen als auch der phänomenologischen Ebene. Eine der Ursachen liegt in der Phase um 1800 beginnenden, rasant fortschreitenden Entkoppelung wissenschaftlicher Erkenntnis vom Faktor menschlich-sinnlicher Wahrnehmung. Bis dahin war nahezu jede Form wissenschaftlicher Erkenntnis an eine für den Menschen nachvollziehbare visuelle Evidenz (Beobachtung, Beschreibung, Illustration) gekoppelt. Inzwischen sind große Bereiche der Naturwissenschaften nicht mehr auf die unmittelbare Anschauung angewiesen, um valide Ergebnisse zu generieren.
Bis dahin war die wohl wichtigste Voraussetzung für jede Form von Erkenntnis die Existenz des Lichts. Wenn Miriam Hamann in vielen ihrer Arbeiten Licht nicht nur unmittelbar einsetzt, sondern dessen physikalisch- theoretischen Eigenschaften thematisiert, greift sie auf dieses Faktum zurück. Licht spielt damit in ihrem Werk eine – wiederum – ambivalente Rolle. Es ist einerseits faszinierender Gegenstand physikalischer Phänomenologie, andererseits ist es bis zur Neuzeit die existentielle Bedingung für jede Form der Sichtbarmachung als Voraussetzung von Wissen. Was nicht sichtbar gemacht werden konnte, musste bis dahin zwangsläufig einer metaphysisch-spekulativen (religiösen) Ebene der Welterkenntnis zugeordnet werden. Die Nichterklärbarkeit unsichtbar wirkender Kräfte und Mechanismen ist für den Menschen inakzeptabel. Metaphysische Erkenntnis folgt einer eigenen hermeneutischen Dynamik und schafft sich ebenfalls dem jeweiligen Erkenntnisinteresse angepasste „Apparate“ (Von der Reliquie bis zur Verschwörungstheorie). Große Teile unserer kulturellen Entwicklung und ihrer Artefakte sind diesem Prozess der „Sichtbarmachung“ des Metaphysischen geschuldet.
Platt formuliert könnte man Kunst immer einen metaphysischen (Teil-)Charakter zusprechen. Dass dies nicht so schlicht funktioniert und im Einzelfall zu überprüfen ist, erscheint jedoch selbstverständlich. Die Kunst Miriam Hamanns interagiert methodisch komplex und ohne jede Esoterik als vermittelnde Instanz zwischen dem ästhetisch interpretierten Unwägbaren und der physisch begreifbaren Realität. In ihrer präzisen Rätselhaftigkeit stellen die Arbeiten auf symbolische Weise eine Synthese, eine Zwischenwelt dar zwischen dem positivistisch Nachvollziehbaren und dem wohl nie Erfahrbaren. Sie werden damit zu optimistisch-künstlerischen Repräsentanten des Unerklärlichen.
Text zur Einzelausstellung On Moving Spheres, Memphis Linz, 2022
Text: Georg Wilbertz
Metamorphosis
--Metamorphosis
_EN version below
Miriam Hamann taucht mit ihren Werken in unsere Lebensrealität ein und taucht wieder auf mit klaren, reduzierten, höchst ästhetischen Installationen und Objekten. Licht und Sound spielen eine gewichtige Rolle. Zwischen Objects Trouvés und alltäglicher Werksanfertigung kühlt die im oberösterreichischen Wels geborene Künstlerin den ersten physischen Eindruck – die psychischen Gefühlswelten lässt sie aber schließlich doch im Immateriellen erwachen. An der weißen Wand hinter ihr hängt nichts, geleerte Reduktion.
In Wien lebend, im Ausland gereist, studiert, gearbeitet: Frankreich, Norwegen, Finnland, Niederlande, Deutschland – in Europa ist sie mit sich und den Arbeiten zuhause. Acht Preise und Stipendien und acht Residency-Aufenthalte. Wenn die Acht kippt wird sie unendlich.
Ein wenig Physik, etwas Technologie, eine Portion Naturwissenschaft und viele künstlerische Prozesse zur Erfassung ihrer und unserer Umgebung. Raum- und Zeitwahrnehmung sind sich ergänzende und immerwährende Dimensionskomponenten. Das Große im Subtilen erfassen.
Seit 2012 ist ihr Werk in Ausstellungen zu sehen, fokussiert auf örtliche Gegebenheit, Architektonik und zeitliche Zusammenhänge. Aus Arbeit entsteht Arbeit.
___EN
Miriam Hamann immerses herself in our reality and reappears with clear, reduced, highly aesthetic installations and objects. Light and sound play an important role. Between objects trouvés and everyday production, the artist, who was born in Wels in Upper Austria, cools the first physical impression – but in the end she re-ewakes the psychic emotional worlds in the immaterial. There is nothing hanging on the white wall behind her, emptied reduction.Living in Vienna, traveling, studying and working abroad: France, Norway, Finland, the Netherlands, Germany – in Europe she is at home. Eight awards and grants and eight residency stays. When the eight tilts, it becomes infinite.
A little physics, a little technology, a portion of natural science and many artistic processes to capture your and our environment. The perception of space and time are complementary and everlasting dimensional components. Capturing the bigger picture in the subtle.
Her work has been on view in exhibitions since 2012, focusing on on-site conditions, architecture and temporal contexts.
Work turns into work.Text zur Installation Metamorphosis / Text about the installation Metamorphosis – Supergau Festival 2021
Text: Claus Friede
Interview
--Miriam Hamann ist bildende Künstlerin und lebt und arbeitet zurzeit in Wien. Sie studierte Transdisziplinäre Kunst an der Universität für Angewandte Kunst, davor Kunst und kommunikative Praxis, u.a. bei Erwin Wurm.
Die letzten Jahre verbrachte sie viel Zeit in Berlin und war im Rahmen diverser Residencies international unterwegs. So arbeitete sie etwa mehrere Monate in Finnland, Norwegen, Frankreich und den Niederlanden. Anfang dieses Jahres beschloss die Künstlerin, wieder nach Wien zurückzukehren.Wo liegt das Hauptaugenmerk deiner Kunst?
Im Spannungsfeld von skulpturalen und installativen Arbeiten beschäftige ich mich mit der Frage, wie unsere Realität strukturiert ist. Was formt unsere Umgebung und Realität? Welche Ordnungssysteme haben wir uns auferlegt? Was bringt uns einem Verständnis unserer Welt näher?…Interview Les Nouveaux Riches Magazine 2020
The ongoing sequence
--The ongoing sequence
Miriam Hamanns künstlerische Praxis liegt in der Untersuchung immaterieller Materialien. In früheren Arbeiten beschäftigte sie sich etwa mit Klang oder Licht und deren Auswirkung auf die Erfahrung und Veränderung des sie umgebenden Raums. In der Ausstellung The ongoing Sequence befasst sich Hamann nun mit einer anderen Größe, die unsere Wahrnehmung maßgeblich bestimmt, nämlich der Zeit. In den präsentierten Arbeiten reflektiert sie verschiedene Modi der Zeitmessung und legt die Paradoxie eines als normativ geltenden Zeitbegriffs offen.
In der Installation A matter of time nimmt Hamann Bezug auf die Erdrotation als Ursächlichkeit des Zeitverlaufs. Sie visualisiert das Fortschreiten der Zeit in Form einer Lichtschiene, die sich entlang eines zylindrischen Metallrahmens bewegt. Über den Verlauf der Zeit sind wir am ehesten in der Lage, Zeit zu erfassen. Die Lichtschiene rotiert aber entsprechend eines „galaktischen Jahres“ – der Zeitspanne, die das Sonnensystem braucht, um ihr Zentrum zu umrunden. Dies entspricht 225 Millionen Erdjahren, was eine Wahrnehmung ihrer Bewegung für das menschliche Auge gänzlich unmöglich macht. Dass das Prinzip der natürlichen Zeitbestimmung anhand des Sonnensystems durch die Präzision der Technik überholt wurde, macht eine Auswahl an Siebdrucken aus der Werkgruppe Not every minute contains 60 seconds deutlich. Die Serie zeigt die Anzahl der Sekunden eines gesamten Jahres im kleinstmöglichen Raster des Siebdruckverfahrens. Durch die immer exaktere technische Zeitmessung wurde deutlich, dass die Rotation der Erde nicht konstant und die Sonnen- und die Weltzeit asynchron verlaufen. Die sich daraus ergebende „überschüssige“ Zeit, die nach Bedarf durch eine so genannte Schaltsekunde mit der koordinierten Weltzeit wieder in Einklang gebracht wird, visualisiert Hamann als kaum erkennbaren Punkt auf einem eigenen Druckbogen. Der Widerspruch, der sich in der Vorstellung von Zeit als konstant linear verlaufende Größe und dem Ergebnis ihrer Messung ergibt, wird auch in der Skulptur 50 Hz thematisiert. Sie richtet sich nach jener Zeitmessung, die auf der Frequenz des elektrischen Wechselstroms beruht. Durch Frequenzschwankungen bedingte Abweichungen werden hier permanent mit der Atomzeit ver- und ausgeglichen. Am Stromnetz angeschlossen bringt ein Transducer die Arbeit, die sich in ihrer formalen Gestaltung an einen abstrahierten Uhrzeiger anlehnt, analog zur aktuellen Netzfrequenz in Schwingung. In all ihren Arbeiten in The ongoing Sequence hinterfragt Miriam Hamann die technisch gemessene, standardisierte Zeit als künstlich geschaffenen Rhythmus, der unsere Lebensrealität bestimmt und in Einheiten gliedert, und zeigt, dass ein scheinbar absoluter Zeitbegriff durchaus zur Diskussion gestellt werden kann.
Text zur Einzelausstellung The ongoing sequence, MUSA Startgalerie, 2017
Text: Barbara Pflanzner
Interview
--Having grown up in Austria and studied art in Paris and Vienna, the installation and sound artist Miriam Hamann reacts to her respective, direct urban surroundings and employs the inspiration to form minimalist, re-contextualised works. Air ducts, light bulbs, light switches, steel and concrete are repetitive materials that she frequently relocates. While currently spending time at the TITANIK residency for sound-based art practices in Finland, she recently moved to Berlin and continues capturing forms and sounds found in industrial design and every-day life in her sketchbook. In an interview we spoke about the tradition of minimalism, about the beauty in urban landscapes and her participation in the current group show “New Skin for the Old Ceremony” at the project space DZIALDOV in Berlin.
Anna-Lena Werner: Miriam, many of your works address the beauty or the sculptural quality in everyday-items and objects of functional design. Why did you develop the interest in emphasising what we see every day?
Miriam Hamann: Actually, things and impressions of everyday-life have always caught my interest. I remember that even when I was younger I was curious about how different objects of daily life form certain arrangements. Now, working as an artist, I am very observant and attentive when walking around, especially within urban surroundings. Many of my works deal with sculptural forms, but they also focus on immaterial manifestations…
Interview artfridge magazine 2016